Ratgeber
Er ist klein und unscheinbar, leistet aber im Fall eines Falles Grosses: der Varistor. Er schützt empfindliche elektronische Schaltung wirksam gegen zu hohe Spannungsimpulse, wie sie beispielsweise bei Blitzeinschlägen vorkommen. Wie Varistoren funktionieren, erfahren Sie in unserem Ratgeber. Wir geben Ihnen ausserdem Tipps für die Beschaffung und den Einsatz.
Der Begriff Varistor ist ein Kofferwort für einen variablen Widerstand, abgeleitet aus „Variable Resistor“.
Da allerdings auch Potentiometer oder Rheostate zu variablen Widerständen gehören, gilt die Bezeichnung Varistor ausschliesslich für nichtohmsche Widerstände.
Das Besondere an einem Varistor: Sein Widerstand ändert sich mit der angelegten Spannung. Er wird deshalb auch als spannungsabhängiger Widerstand oder VDR (Voltage Dependent Resistor) bezeichnet.
Er besitzt eine nichtlineare, nichtohmsche Strom-Spannungs-Kennlinie, ähnlich einer Diode. Im Gegensatz zu einer Diode ist er aber für beide Richtungen des durchfliessenden Stroms durchlässig, lässt sich somit auch in Wechselstromkreisen betreiben.
Moderne Varistoren basieren hauptsächlich auf gesinterten keramischen Metalloxid-Materialien, die nur auf mikroskopischer Ebene ein Richtungsverhalten aufweisen. Dieser Typ ist allgemein als Metalloxid-Varistor oder kurz MOV bekannt. Er enthält eine keramische Masse aus Zinkoxidkörnern in einer Matrix aus anderen Metalloxiden, wie beispielsweise geringe Mengen an Wismut-, Kobalt- und Manganoxiden, die zwischen den Elektroden eingeschlossen sind.
Die Grenze zwischen jedem Korn und einem Nachbarn bildet einen Diodenübergang, der den Stromfluss nur in eine Richtung zulässt.
Die Ansammlung von zufällig orientierten Körnern ist elektrisch äquivalent zu einem Netzwerk von Rücken-an-Rücken-Diodenpaaren, wobei jedes Paar parallel zu vielen anderen Paaren geschaltet ist.
Liegt eine kleine Spannung an den beiden Elektroden des Varistors, fliesst nur ein winziger Strom, verursacht durch die Rückwärtsleckage der Diodenübergänge. Bei einer grossen Spannung bricht der Diodenübergang zusammen und erhöht damit den Stromfluss. Das Ergebnis ist eine nichtlineare Strom-Spannungs-Kennlinie: Hoher Widerstand bei niedrigen Spannungen und niedriger Widerstand bei hohen Spannungen.
Varistoren finden sich in der Regel als Steuer- oder Kompensationselemente in elektronischen Schaltungen. Hier sorgen sie für optimale Betriebsbedingungen oder schützen vor übermässigen transienten Spannungen. Beim Einsatz als Schutzvorrichtung leiten sie den durch die zu hohe Spannung entstehenden Strom von empfindlichen Bauteilen ab und setzen ihn in Wärme um.
Wird der MOV mehrfach mit Überspannungen konfrontiert, tritt allerdings die sogenannte kumulative Degradation auf. In diesem Zustand ist der MOV nicht sichtbar beschädigt und erscheint nach aussen hin funktionsfähig, er bietet aber keinen kompletten Schutz mehr. Schliesslich geht er quasi in einen Kurzschlusszustand über, da die Energieentladungen einen leitfähigen Kanal durch die Oxide gebildet haben.
Ein Worst-Case-Szenario wäre ein Blitzeinschlag, dessen Energie um viele Grössenordnungen über dem Wert liegt, den das Bauteil verarbeiten kann. Der Strom kann den den MOV schmelzen, verbrennen oder sogar verdampfen lassen. Die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls lässt sich allerdings durch die Erhöhung des Nennwerts oder durch die parallele Verwendung speziell ausgewählter MOVs verringern.
Ein spannungsabhängiger Widerstand bietet zudem keinen Geräteschutz vor Einschaltstromstössen, vor Überstrom durch einen Kurzschluss oder vor Spannungseinbrüchen. Die Anfälligkeit elektronischer Geräte gegenüber diese Stromstörungen sollte daher beispielsweise durch eine unterbrechungsfreie Stromversorgung, einen Spannungsregler oder einen Überspannungsschutz mit Abschaltung der Stromversorgung erfolgen.
Typen und Bauarten
Varistoren sind sowohl für die klassische Durchsteckmontage (THT = Through the Hole) als auch in SMD-Bauformen erhältlich. Gängige THT-Typen – auch Scheiben-Varistoren genannt – gibt es mit Durchmessern von 7, 10 und 14 Millimetern.
Spannungen und Ströme
MOVs werden nach dem Spannungsbereich spezifiziert, den sie ohne Beschädigung tolerieren können. Diese maximal zulässigen Betriebsspannungen liegen bei Gleichstrom in der Regel zwischen 5,5 und 750 Volt, bei Wechselstrom zwischen 11 und 625 Volt. In diesen Bereichen ist der Varistor quasi nichtleitend.
Die Varistorspannung definiert den Spannungsabfall eines Varistors beim Stromdurchfluss von einem Milliampere. Sie ist generell höher als die Betriebsspannung und steht für die Durchbruchspannung. Letztere wird oft auch mit Schutzpegel oder Klemmspannung bezeichnet. Ab diesem Wert setzt der Varistor die zugeführte Energie in Wärme um, vergleichbar mit einem normalen Widerstand.
Daraus folgt, dass dieses Bauelement bei zu langer Belastung – schon einige Sekunden reichen häufig – vollkommen zerstört werden könnte. Die Schwellen für diese Impulsströme liegen üblicherweise zwischen 4 und 1800 Volt. Weitere wichtige Parameter sind die Energieleistung des Varistors in Joule, die Ansprechzeit und der maximale Ableitstrom.
Kapazität
Typische Kapazitäten liegen im Bereich von 100 bis 2500 Pikofarad. Kleinere Varistor-Bauelemente sind mit einer Kapazität von etwa einem Pikofarad für mikroelektronische Schutzeinrichtungen erhältlich. Varistoren mit geringer Kapazität können jedoch aufgrund ihrer kompakten Grösse für die Leiterplattenmontage keinen grossen Stossströmen standhalten.
Ansprechzeit
Die Ansprechzeit der MOVs ist nicht genormt. Die Annahme, dass Varistoren im Sub-Nanosekundenbereich ansprechen, basiert auf der Ansprechzeit des Materials, wird aber durch andere Faktoren wie die Induktivität der Bauteilanschlüsse und die Montagemethode verlangsamt. Bei einer sehr schnellen Transiente mit einer Anstiegszeit von weniger als einer Nanosekunde liegt die Ansprechzeit des Varistors im Bereich von 40 bis 60 Nanosekunden.
Wählen Sie nie eine geringere maximal zulässige Betriebsspannung als die im Datenblatt angegebene. Varistoren altern recht schnell, wenn sie bereits teilweise im leitfähigen Bereich betrieben werden. Ihre Funktion als effektiver Überspannungsschutz erfüllen sie dann nach relativ kurzer Zeit nicht mehr oder nur noch unzureichend. Ähnliches gilt für die Auslegung des Nennableitstroms. Hier sollte besser eine Reserve eingeplant werden, als dass eine zu knappe Dimensionierung erfolgt.
An welcher Stelle der Elektronik sollte sich der Varistor befinden?
Da es sich bei MOVs um Bauelemente für den Schutz gegen Transienten handelt, sollte sie unbedingt vor die Eingangsspule beziehungsweise dem zu schützenden Schaltkreis montiert werden. Nur dann lässt sich die Elektronik vor kurzzeitigen Überspannungen schützen.
Wie lässt sich die benötigte Varistorspannung am einfachsten berechnen?
Als Faustregel gilt: Die Klemmspannung sollte um 20 bis 30 Prozent über der normalen Versorgungsspannung der Schaltung liegen. Bei 10 Volt Gleichspannung wären dies 12 oder 13 Volt. Da bei Wechselspannungen der Sinus stets höher als Effektivwert ausfällt, wäre bei 10 Volt eine Varistorspannung von 15 Volt angebracht. Im Zweifel ist immer ein höherer Wert zu empfehlen, da die Kennlinie eines Varistors sehr „weich“ verlaufen kann.