Kalibrierung » Definition, Anleitung & Bedeutung
Aktualisiert: 19.05.2022 | Lesedauer: 8 Minuten
Sehr oft kann man bei den Angeboten von Digitalmultimetern, Oszilloskopen oder auch Netzteilen das Leistungsmerkmal „Kalibriert“ finden. Die kalibrierten Ausführungen haben in der Regel auch ein etwas höheres Preisniveau, als die gleichen Exemplare ohne Kalibrierung.
Daher könnte man davon ausgehen, dass die kalibrierten Messgeräte unter Umständen besser und genauer messen als die unkalibrierten Versionen. Dies ist aber nicht der Fall.
Was die Kalibrierung genau ist und warum in manchen Anwendungsbereichen unbedingt kalibrierte Geräte benötigt werden, möchten wir nachfolgend genauer erläutern.
Dazu muss man sich aber zunächst mit dem Thema Messtoleranz beschäftigen. Was das ist und wie die Messtoleranz ermittelt wird, wollen wir anhand eines Multifunktions-Messgerätes aufzeigen.
Jedes Messgerät ist gewissen Toleranzen unterworfen, die sich aufgrund der Konstruktion, der Bauteiletoleranz und den Umgebungsbedingungen nicht vermeiden lassen. Diese Messungenauigkeiten sind unabhängig von der erfassten physikalischen Größe und führen zu mehr oder weniger abweichenden Messergebnissen.
Wie groß die Abweichungen in jedem Messbereich sein dürfen, geben Hersteller bei den technischen Daten in Form der Toleranz von z.B. ±0,9% an. Bei einer Spannung von 10,00 V würde eine Abweichung von ±0,9% maximal ±0,09 V betragen. Das Messergebnis müsste demzufolge im Bereich von 9,91 und 10,09 V liegen.
Zu der Grundgenauigkeit addieren sich noch Anzeigefehler in Counts. Diese werden vom Hersteller ebenfalls mit angegeben. Die Anzeigefehler sind vom Messbereich und von der max. Count-Zahl des Messgerätes abhängig.
Dazu ein Beispiel:
Ein Messsgerät mit 2000 Counts kann den Bereich von 0 – 1999 darstellen. Das Komma bzw. der Dezimalpunkt ist dabei variabel. Somit können Spannungen bis 1,999 V mit drei Stellen nach dem Komma angezeigt werden. Spannungen bis 19,99 V werden mit 2 Nachkommastellen angezeigt. Im Bereich bis 199,9 V wird noch eine Stelle nach dem Komma angezeigt und bei Spannungen ab 200 V sind keine Nachkommastellen im Display sichtbar. Durch die Nachkommastellen ist auch die Auflösung, also die kleinste darstellbare Spannungsänderung, definiert.
Im Messbereich bis 20 V z.B. beträgt die Auflösung 10 mV pro Count (20 V : 2000 Counts = 0,01 V/Count).
Wenn bei einem Messgerät mit 2000 Counts im Bereich bis 20 V eine Genauigkeit von ± (0,9% + 4 Counts) angegeben wird, darf das Messgergebnis bei einer Spannungsmessung von 10,00 V um max. ± 0,13 V (0,09 V + 4 x 0,01 V) abweichen. Der angezeigte Messwert wird demzufolge zwischen 9,87 V und 10,13 V liegen.
Bei der Kalibrierung wird mit einer genau definierten Eingangsgröße, die als Normal bezeichnet wird, mit dem Messergebnis des zu prüfenden Messsystems verglichen. Dabei muss das Normal eine um mindestens 5fach höhere Genauigkeit aufweisen, als das zu prüfende Messgerät.
Bezogen auf das oben aufgeführte Messbeispiel gibt ein Kalibrator eine Messspannung von z.B. 10,00000 V aus und es wird geprüft, ob das Messgerät ein Ergebnis innerhalb der Genauigkeitsgrenzen anzeigt.
Anschließend werden weitere Messungen im gleichen Spannungsbereich bzw. mit einer anderen Messgröße durchgeführt.
Die Abweichungen der Messergebnisse werden in einem Kalibrierprotokoll festgehalten. Dieses Protokoll liegt später dem Messgerät bei.
Wichtig:
Bei der Kalibrierung werden lediglich die Abweichungen der Messergebnisse exakt protokolliert. Ein Eingriff in das Messgerät, um z.B. die Abweichungen zu minimieren, findet bei der Kalibrierung nicht statt.
Hobby-Bastler, die in ihrer Freizeit elektronische Schaltungen und Steuerungen bauen, werden zwar gute, aber mit Sicherheit keine kalibrierten Messgerät benötigen.
Ebenso muss das Multimeter im Werkzeugkasten eines KFZ-Mechanikers oder Heizungsbauers nicht zwingend kalibriert sein.
Anders sieht es aus, wenn Firmen, Einrichtungen, Behörden und Industriebetriebe nach ISO 9001 o.ä. zertifiziert sind.
Aufgrund geltender Vorschriften und im Rahmen der angestrebten Qualitätssicherung müssen diese Einrichtungen die erfassten Messergebnisse, als auch die rückführbare Kalibrierung der Messmittel, lückenlos dokumentieren.
Egal ob Netzteile oder Messgeräte, bei Conrad Electronic finden Sie eine große Vielfalt an kalibrierten Geräten. Eine kleine Auswahl der wichtigsten Produktgruppen haben wir nachfolgend für Sie zusammengestellt. Leider können wir hier aber nicht auf alle kalibrierten Geräte in unserem Produktsortiment verweisen.
Wenn Sie wissen möchten, ob wir das von Ihnen benötigte Gerät auch in einer bereits kalibrierten Version anbieten, nutzen Sie einfach die Filter oberhalb der Produktgruppe.
Bevor ein Messgerät kalibriert werden kann, muss es ausreichend Zeit haben sich zu akklimatisieren. Die Kalibrierung wird bei einer Temperatur von 22 °C (± 1,5 °C) und rel. Luftfeuchtigkeit von 50 % (±10 %) durchgeführt. Darum werden die zu kalibrierenden Geräte mindestens 12 Stunden im Kalibrierraum gelagert.
Die Kalibrierung findet mit Hilfe eines Kalibrators statt. Dieser Kalibrator ist in der Lage, sehr exakte Spannungen, Ströme oder Widerstandswerte zu generieren. Für die einfache Durchführung und zur Vermeidung von Einstellungsfehlern wird der Kalibrator mit Hilfe eines Computerprogramms automatisch gesteuert.
Nach der Eingabe des Messgeräte-Typs weiß das Kalibrier-Programm, welche Messbereiche geprüft werden müssen und wie groß die max. zulässige Messabweichung sein darf.
Zusätzlich werden weitere Daten wie Firmenname, Kundennummer, Seriennummer oder Inventarnummern für das Kalibrierprotokoll erfasst. Danach gibt das Computerprogramm vor, auf welchen Messbereich das Messgerät geschaltet werden muss. Ist die Einstellung erfolgt und per Mausklick bestätigt, gibt der Kalibrator den ersten Messwert aus.
Der in der Displayanzeige des Messgerätes abgelesene Wert wird nun in den Computer eingeben.
Das Kalibrier-Programm errechnet dann die tatsächliche Abweichung des angezeigten Messwertes und entscheidet, ob der abgelesene Wert noch innerhalb der Toleranzwerte liegt oder nicht.
Anschließend wird vom Kalibrator der nächste Messwert ausgegeben.
Auch diesen Wert muss der mit der Kalibrierung beauftragte Mitarbeiter ablesen und eingeben.
Pro Messbereich werden zum Teil mehrere Messwerte (z.B. bei ca. 10% und 90% des Messbereiches) geprüft.
Schritt für Schritt werden nun alle erforderlichen Messungen durchgeführt und die gemessenen Werte protokolliert. Wenn alle Messergebnisse innerhalb des Toleranzbereiches liegen, wird das Messgerät mit einem Aufkleber versiegelt und dem Kunden inkl. Kalibrierprotokoll wieder zugeschickt.
Neue Messgeräte, die für den Verkauf vorgesehen sind, werden nach dem Kalibrieren wieder auf Lager gelegt. Damit unsere Kunden immer aktuell kalibrierte Messgeräte erhalten, werden die aktuellen Lagerbestände und die kontinuierlichen Absatzzahlen ständig überwacht.
Vorgehensweise im Fehlerfall
Wenn ein oder mehrere Messwerte außerhalb der Messtoleranz liegen, wird die Kalibrierung trotzdem bis zum Ende durchgeführt. Die durchgeführte Kalibrierung dient später zum Nachweis des Fehlerfalls.
Anschließend wird das Messgerät nachjustiert. Bei dieser Nachjustierung, die entweder per Trimm-Potentiometer im Gerät oder per Geräte-Software erfolgt, wird der Anzeigewert so verändert, dass er wieder innerhalb des zulässigen Toleranzbereiches liegt.
Anschließend erfolgt eine zweite Kalibrierung, die den Erfolg der Nachjustierung protokolliert.
Messgeräte, die nicht nachjustierbar sind und außerhalb der Toleranzwerte liegen, sollten in ISO 9001 zertifizierten Betrieben nicht mehr genutzt werden.
Die Kalibrierung eines Messgerätes ist immer nur eine Momentaufnahme. Das bedeutet: Zum Zeitpunkt der Kalibrierung hat das Messgerät seine Spezifikationen eingehalten und zeigt den richtigen Wert an. Nun sind aber technische Komponenten der Alterung und dem Verschleiß unterworfen. Demzufolge kann man davon ausgehen, dass auch die Messabweichungen mit zunehmendem Alter und bei häufigem Gebrauch größer werden.
Deshalb sollten regelmäßige Kalibrierungen durchgeführt werden. Wir empfehlen nach 12 Monaten die Kalibrierung zu erneuern. Wenn jedoch zu Reparaturzwecken Eingriffe am Gerät durchgeführt wurden, ist eine Kalibrierung unverzüglich durchzuführen.
Kalibrierte Kalibriergeräte
Selbstverständlich müssen nicht nur die Prüfmittel unserer Kunden regelmäßig kalibriert werden. Auch die von uns verwendeten Kalibratoren werden in regelmäßigen Abständen überprüft und kalibriert. Die Messmittel, mit denen unsere Kalibratoren geprüft werden, müssen um ein Vielfaches genauer sein, als die schon ohnehin sehr genauen Kalibratoren. Nur so ist die Qualität der Kalibrierungskette einzuhalten und nahtlos rückführbar dokumentiert.
Was ist der Unterschied zwischen einem DakkS-Zertifkat und einem ISO-Zertifikat?
Um die Qualität und Zuverlässigkeit im industriellen Messen sicherzustellen, arbeiten akkreditierte Kalibrierlabore unter der Aufsicht der Deutschen AkkreditierungsStelle (DakkS). Durch die DakkS Akkreditierung sind die ausgestellten Zertifikate international gültig und gewährleisten dank metrologischer Rückführbarkeit höchste Präzision.
Eine Kalibrierung nach ISO (International Organization for Standardization = internationale Normierungsorganisation) ist eine kostengünstigere Alternative zu DakkS-Zertifikaten. Trotzdem werden bei der ISO-Kalibrierung alle relevanten und branchenspezifischen Gesetze, Normen und Richtlinien berücksichtigt.
Parallel dazu führen viele Hersteller bei der Produktion von Messgeräten einen Abgleich nach Werksstandard durch. Dadurch soll die Qualität der Produkte und die Einhaltung der Toleranzgrenzen sichergestellt werden. Ein schriftlicher Nachweis oder ein Zertifikat wird beim Werksabgleich nicht ausgestellt.
Was bedeutet Metrologie?
Metrologie ist die Lehre von Maßeinheiten und vom Messen. Die oberste nationale Instanz bei Fragen rund um die Messtechnik ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig.
Was ist der Unterschied zwischen kalibrieren und eichen?
Beim Kalibrieren wird ein exakter Eingangswert mit dem Ausgangswert einer Messeinrichtung verglichen und die Abweichungen dokumentiert. Die Eingangswerte können sowohl physikalische als auch elektrische Größen beschreiben. Die Ausgangswerte können elektrische Signale, aber auch lediglich Ablesewerte sein. Kalibrierungen werden von zertifizierten Einrichtungen durchgeführt.
Die Eichung ist eine Qualitätsprüfung und Kennzeichnung entsprechend den Eichvorschriften und unterliegt somit gesetzlichen Regelungen. Sie ist bei Messmitteln vorgeschrieben, die zur Preisfindung genutzt werden. Dazu zählen z.B. Waagen in Metzgereien oder auch Tankuhren in Zapfsäulen und Tankwagen. Die Eichung wird von Mitarbeitern des Eichamtes durchgeführt.
Was ist der Unterschied zwischen kalibrieren und justieren?
Beim Kalibrieren werden lediglich die Abweichungen vom Soll- zum Istwert ermittelt und protokolliert. Ein Eingriff in das zu prüfende Gerät findet nicht statt.
Beim Justieren werden die Anzeigewerte verändert, damit ein korrektes Ergebnis angezeigt wird. Je nach Art und Ausführung des zu justierenden Messmittels kann die Justierung mechanisch oder elektronisch erfolgen.
Wie oft müssen Multimeter kalibriert werden?
Gesetzliche Vorschriften gibt es diesbezüglich keine. Die Gerätehersteller sprechen Empfehlungen aus, wann das Gerät wieder kalibriert werden soll. Dieser Zeitraum beträgt in der Regel 1 Jahr. Auf Wunsch können Messgeräte aber auch in kürzeren Abständen kalibriert werden.
Muss das Kalibrierprotokoll immer dem Messgerät beiliegen?
Das Kalibrierprotokoll muss im Falle einer Prüfung schnell greifbar sein. Darum macht es durchaus Sinn das Zertifikat dem Messgerät beizulegen. Werden die Messgeräte unter widrigen Bedingungen eingesetzt und es besteht die Gefahr, dass dadurch die Kalibrierunterlagen Schaden nehmen, ist eine zentrale Ablage im Büro die bessere Lösung. In jedem Fall müssen bei einem Audit die Unterlagen unverzüglich greifbar sein.